Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, ob es sich lohnt, um den Pflichtteil zu streiten, kann man selbst aktiv werden. Ein Nachlassverzeichnis ist vonnöten. In Betracht kommt ein privatschriftliches oder notarielles Nachlassverzeichnis. Ein notarielles Nachlassverzeichnis kann auch dann noch verlangt werden, wenn ein vom Erben selbst erstelltes Verzeichnis bereits vorliegt. Zu den Vor- und Nachteilen beider Verzeichnisse, sowie dem praktischen Vorgehen und der unbedingt zu beachtenden Verjährung.
In meiner letzten Folge habe ich darüber gesprochen, was ein Pflichtteilsanspruch ist, wie er entsteht und wann er verjährt. Aber wie man das dann genau macht, das erfährst Du jetzt.
Dazu möchte ich zunächst sagen, dass ich hier nur den außergerichtlichen Teil betrachten möchte. Normalerweise wenn man sein Pflichtteilsrecht tatsächlich gerichtlich geltend machen muss, in aller Regel sowieso ein Anwalt dazu notwendig ist. Nach meiner Erfahrung liegen die Gegenstandswerte meistens über 5.000,00 €. Ab 5.000,01 € ist automatisch die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben. Beim Landgericht herrscht Anwaltszwang, so dass man da alleine nicht mehr weiterkommt. Dementsprechend geht es jetzt nur um das was man selbst auch ohne Anwalt machen kann.
Außergerichtlich sind das typischerweise drei Schritte die man als Pflichtteilsberechtigter gegenüber den Erben gehen muss. Das ist einmal die Auskunft, die Wertermittlung und letztendlich die Zahlung.
Die Auskunft kann man erlangen durch Forderung eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses oder eines notariellen Nachlassverzeichnisses.
Schauen wir uns die Vorteile bzw. Nachteile an:
Vorteil eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses, d.h. ein Nachlassverzeichnis das der Erbe selbst erstellt ohne Hinzunahme irgendwelcher weiterer Personen, ist natürlich, dass es am schnellsten geht. Es ermöglicht sehr schnell einen Überblick über das was vorhanden ist und auch über die vorhandenen Schulden. Es kostet nichts. Es sei denn anwaltliche Hilfe ist erforderlich, weil der Nachlass sehr komplex ist.
Nachteil ist dementsprechend auch, weil es vom Laien gemacht ist, oft weniger genau ist. Es ist außerdem schwierig zu überprüfen, weil der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch auf Vorlage von Kontoauszügen hat und dementsprechend doch sehr stark darauf angewiesen ist, dass der Erbe ihm tatsächlich die Wahrheit sagt.
Vorteil des notariellen Verzeichnisses ist demgegenüber, dass der Notar hier gewissermaßen als verlängerter Arm des Pflichtteilsberechtigten und so ein bisschen in detektivischer Funktion agiert. Das heißt, der Notar ist gehalten selbst Ermittlungen anzustellen, darüber was an Nachlasswerten vorhanden ist und man hat zusätzlich als Pflichtteilsberechtigter die Möglichkeit dem Notar zu sagen, wonach er genau suchen soll. Das heißt ein Notar würde Banken im näheren Umkreis des Erblassers anschreiben von sich aus und Konten/Kontostände ermitteln. Er könnte sich auch die Kontoauszüge der letzten zehn Jahre vorlegen lassen und überprüfen, ob irgendwelche Hinweise auf Schenkungen vorhanden sind oder dergleichen.
Klarer Nachteil dieses Verzeichnisses ist allerdings, dass es oft sehr langwierig ist. In aller Regel muss man damit rechnen, dass ein solches notarielles Nachlassverzeichnis mehrere Monate benötigt, bis es endgültig fertig ist. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass es dem Notar viel Arbeit macht und Notare dies nicht gerne machen. Es kommt hinzu, dass die Lust am Nachlassverzeichnis erstellen in aller Regel nicht so wahnsinnig groß ist, es oft hinausgeschoben wird und die Termine erst sehr spät vergeben werden. Es verursacht außerdem zusätzliche Kosten und es kommt erschwerend hinzu, dass auch nicht jeder Notar seinen Auftrag gleichermaßen ernst nimmt. Das heißt, es ist gerade in der Vergangenheit, ist mittlerweile etwas im Umbruch, in früheren Zeiten ist es sehr häufig passiert, dass Notare einfach den Erben einbestellt haben und nur aufgenommen haben, was der ihnen diktiert hat. Was aber eigentlich so nicht sein sollte. Wie gesagt, mittlerweile geht die Tendenz dahin, dass die Notare ihrer Verpflichtung selbst Ermittlungen anzustellen immer mehr nachkommen, was wie gesagt, dazu führt, dass es länger dauert und für alle Beteiligten mühsam ist.
Ich würde daher normalerweise empfehlen, wenn man nicht schon von vorherein nicht schon so extrem misstrauisch gegenüber dem Erben ist, dass man meint, ohne Notar werde ich sowieso nicht auskommen, dass man erst einmal den Weg über das privatschriftliche geht.
So…und wie kriege ich das jetzt hin?
Also zunächst einmal würde man den Erben mit einem ersten Anschreiben auf Auskunft über den vorhandenen Nachlass durch Vorlage eines solchen Nachlassverzeichnisses in Anspruch nehmen. Dabei sollte man unbedingt erwähnen, dass neben dem vorhandenen Nachlass auch der fiktive Nachlass aufgeführt werden sollte. Fiktiver Nachlass, das heißt die Schenkungen des Erblassers der letzten zehn Jahre soweit Schenkungen an den Ehegatten erfolgt sind, sogar zeitlich unbefristet. Auch diese Schenkungen sind im Nachlassverzeichnis mit aufzuführen. Weiterhin würde man in diesem ersten Anschreiben gegebenenfalls auch die Wertermittlung durch einen Sachverständigen verlangen.
Das heißt, gerade wenn Grundstücke oder Unternehmen Nachlassbestandteil sind, wird man üblicherweise an einer Bewertung nicht vorbeikommen und dann kann man auch direkt im ersten Anschreiben schon mit aufführen, dass eine solche Wertermittlung durch einen Sachverständigen gewünscht ist. Dabei sollte man dann aber beachten, dass so ein Sachverständigengutachten natürlich seine Zeit dauert. Man sollte deshalb auf keinen Fall verlangen, dass Sachverständigengutachten binnen einer bestimmten Frist vorzulegen. Denn darauf hat der Erbe keinen Einfluss wie lange der Sachverständige für sein Gutachten braucht. Oder nur sehr eingeschränkt Einfluss. Deshalb wird man üblicherweise nicht nur eine Frist zur Vorlage des Gutachtens bestimmen, sondern eine Frist bestimmen, binnen derer nachgewiesen werden soll, dass ein Sachverständiger mit der Begutachtung beauftragt wurde. Das erscheint sinnvoller.
Ferner kann man dann auch schon direkt in diesem ersten Anschreiben seinen Zahlungsanspruch formulieren. Auch wenn man überhaupt keine Kenntnis davon hat, was denn eigentlich letztlich der Zahlungsanspruch sein soll. Der besondere Vorteil davon ist, das es rein gesetzlich möglich ist, auch unbeziffert auch schon einen Anspruch auf Zahlung geltend zu machen. Und wenn man das tut unter Fristsetzung, dann begründet man damit auch den Verzug des Erben, wenn er denn nicht binnen der Frist leistet. Daher sollte aus meiner Sicht aus dem Schreiben hervorgehen, dass bei Nichtleistung binnen der gesetzten Zahlungsfrist der besagte Verzugseintritt erfolgt und das dann Verzugszinsen ab diesem Zeitpunkt zu zahlen sind. Der Zinssatz beträgt dabei 5 % über dem Basiszins und ist damit für die heutige Zeit natürlich ausgesprochen hoch. Daher ist es auch aus meiner Sicht durchaus attraktiv. Neben dem Verzug allein ist an der Fristsetzung aber zusätzlich auch noch gut, dass für den Fall der Nichtleistung der geforderten Auskunft oder eben Zahlung innerhalb der gesetzten Frist dann auch nach Fristablauf ein Rechtsanwalt beauftragt werden darf, um die Ansprüche durchzusetzen. Natürlich kann man das der Theorie nach schon vorher machen, aber erst wenn sich der Erbe in Verzug befindet, können die anfallenden Rechtsanwaltskosten dann auch gegebenenfalls den Erben in Rechnung gestellt werden. Dazu muss man allerdings sagen, natürlich wird in der Praxis das normalerweise sowieso nicht funktionieren wenn man nicht vor Gericht geht. Wenn man aber vor Gericht geht, dann kann das durchaus noch entscheidend und interessant sein.
Wichtig ist auch, dass der Pflichtteil innerhalb von drei Jahren verjährt. Bis man dann alle nötigen Informationen zusammengetragen hat und seinen Pflichtteilsanspruch vollständig beziffern kann, dauert es leider oft Monate. Wenn man erst am Ende des dritten Jahres zu der Erkenntnis gelangt, dass man seinen Pflichtteilsrecht überhaupt geltend machen möchte, dann scheint das zunächst einmal problematisch zu sein. Allerdings sollte man sich darum nicht zu viel Sorgen machen, denn man kann in einem solchen Fall eine sogenannte Stufenklage einreichen.
Das wird dann typischerweise wieder ein Anwalt machen müssen, weil das für den Laien doch etwas kompliziert sein dürfte, aber zumindest ermöglicht diese Stufenklage -wie sie sich nennt-, dass man auch verjährungshemmend noch Auskünfte verlangen kann, ohne seinen Zahlungsanspruch schon beziffern zu können, dass man auch Wertermittlungen innerhalb dieses Zeitraums noch verlangen kann und das einem an der Stelle nichts verloren geht.